Herrenfeste - Heiligengedenktage
DIE EVANGELIEN
DER SONN- UND FESTTAGE
Zum
Kantillieren eingerichtet
von Bernhard Stürber
Ich hoffe bald auch die Sonntage im Jahreskreis "vertont" zu haben, die ich dann ebenfalls hier einstellen werde.
Möge diese Arbeit allen eine Hilfe sein, die sich
um eine würdige und glaub-würdige Verkündigung der Frohbotschaft
bemühen.
Bernhard Stürber
Vorwort
Zur vollen Gestalt der Liturgie gehört der Gesang
(vgl. Liturgiekonstitution 112; 113; Instruktion „Musicam Sacram“
1967 5; AEM 19, 76, 77).
Insbesondere der Verkündigung des Evangeliums als
„Proklamation“ des Heils ist eine gehobene Art des Vortrags
angemessen. Eine seit dem Altertum übliche Art des öffentlichen
Vortrags von poetischen Texten oder solchen mit
Proklamationscharakter ist das Kantillieren. Damit bezeichnet man
heute den freirhythmisch-melodischen Vortrag liturgischer Texte. Das
Kantillieren unterscheidet sich vom Gesang im engeren Sinn dadurch,
daß die Sprache mit ihren natürlichen Betonungen im Vordergrund
steht. Kantillation ist ganz Dienst am Wort.
Durch die Kantillation wird das Wort Gottes
ausgezeichnet. Gerade dort, wo insbesondere das Evangelium
regelmäßig kantilliert wird, kann es von den Gläubigen als Höhepunkt
der Wortverkündigung, als Frohbotschaft unseres Herrn Jesus
Christus, erlebt werden. Zusätzliche rituelle Elemente können und
sollen dies unterstützen: Ein schön gestaltetes Evangeliar, eine
Evangelienprozession, Leuchter und Weihrauch. Das Prinzip der
gestuften Festlichkeit gilt auch für die Ausgestaltung der
Verkündigung des Evangeliums. Diese wird an einem Hochfest
feierlicher sein als an einem Werktag. Das Kantillieren ist jedoch
grundsätzlich eine adäquate Vortragsart des Evangeliums, wenn die
äußeren Voraussetzungen gegeben sind, d.h. wenn die Kantillation gut
ausgeführt wird. Wer sie nicht beherrscht, möge lieber sprechen.
Dies entläßt die mit der Verkündigung des Evangeliums Betrauten
natürlich nicht daraus, sich entsprechend ausbilden zu lassen! Für
manche Evangelienperikopen eignet sich das Kantillieren weniger gut,
bzw. sind die angebotenen Kurzfassungen vorzuziehen. Darauf wird
jedoch jeweils eigens hingewiesen.
Das vorliegende Angebot von zum Singen
eingerichteten Evangelien soll zum einen dazu anregen, mit den
entsprechenden Melodiemodellen selbst umgehen zu lernen und zum
anderen gerade für unsichere Sänger die Möglichkeit bieten, von
einer Notenvorlage abzusingen. Im letzteren Fall möge die
Notenvorlage in das Evangeliar oder Lektionar eingelegt werden.
Zur Praxis der Kantillation
Eine gute Vorbereitung der hier zum Kantillieren
eingerichteten Evangelien ist unerläßlich. Dabei müssen die Texte
laut durchgesungen werden.
Die deutsche Sprache erfordert die Berücksichtigung
langer und kurzer sowie leichter und schwerer Silben in vielfacher
Abstufung. Damit der Sprachrhythmus erhalten bleibt, muß jede
Nivellierung durch gleichlange Silben unterbleiben, d. h. auch
Wortakzente, die nicht durch eine Melodieformel ausgezeichnet sind,
müssen durch Dehnungen hörbar gemacht werden. Lautstärke und Tempo
sind abhängig von der Größe des Kirchenraums und dessen Akustik.
Der gewählte Rezitationston „a“ bedeutet keine
absolute Tonhöhe. Diese ist vielmehr von der Stimmlage des
jeweiligen Sängers abhängig, sollte aber nicht unter den Ton „f“
gehen. Dabei soll auf einen hellen Stimmklang geachtet werden.
Die Einrichtung der Texte zum Singen wurde nach dem Regelbuch für die Orations- und Lektionstöne in deutscher Sprache (Christophorus-Verlag, Freiburg i. Br.) vorgenommen, ausgenommen die Vertonung der Weihnachtsevangelien „In der Nacht“ und „Am Morgen“, die einer alten Tradition folgend nach dem sog. „Jesaja-Ton“ eingerichtet wurden. Desweiteren wurden einige Varianten der approbierten Evangelientöne eingearbeitet. Diese Varianten sind insbesondere beim 1. Evangelienton die Hinzunahme von Beuge und Wende, wie sie beim Orationston 1 üblich sind, und einer alten Tradition folgend die Gestaltung des Initiums mit der Wendeformel, falls dieses mit einer formelhaften Textwendung beginnt („In jener Zeit“). Auch soll an dieser Stelle auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht werden, Ruf und Antwort nach dem Evangelium aus der Satzschlußformel des jeweiligen Tons zu bilden. Beispiele dafür sind für den I. Ton auf S. 7, für den 3. Ton auf S. 9, für den IV. Ton auf S. 19 und für den V. Ton auf S. 15 ausgeführt. Die Normalform beim I., III., IV. und V. Ton wird jedoch die jeweils an erster Stelle angegebene Melodie sein. Die Ankündigung des Evangeliums kann neben der jeweils angeführten auch lauten: „Aus dem heiligen Evangelium Jesu Christi nach N.“ oder „Aus dem Evangelium nach N.“.
Die Gliederung der Texte in Sinnschritten wurde
weitgehend vom Meßlektionar übernommen. Abweichungen davon rühren
von Eigenheiten des gesanglichen Vortrags im Unterschied zum
Sprechen her, die insbesondere das Atmen betreffen.
Grundsätzlich wurde versucht, den natürlichen
Betonungsverhältnissen Rechnung zu tragen. Das bedeutet, daß den
Sprechakzenten, insbesondere dem Hauptakzent der Vorrang eingeräumt
wurde. Dies kann im Extremfall dazu führen, daß bis zu acht Silben
nach dem Hauptakzent folgen (z. B „... er, der die Verhéißungen
empfangen hatte“ oder „alle Bewohner des Reiches in
Stéuerlisten einzutragen“). Solche immerhin seltenen Fälle
ungünstiger rhythmischer Struktur fordern vom Sänger viel
Geschicklichkeit, den natürlichen Sprachfluß zur Geltung zu bringen.
Manchmal sind Textänderungen bzw. -umstellungen notwendig, um
lebendige Sprache und Kantillationsformeln in Einklang zu bringen.
Solche Änderungen sind jeweils kenntlich gemacht (EÜ =
Einheitsübersetzung).
Die Wortbetonungen entsprechen
der deutschen Standardlautung (Duden - Aussprachewörterbuch, Bd. 6,
1990). Bei verschiedenen Möglichkeiten in der Aussprache wurde in
der Regel die im Aussprachewörterbuch an erster Stelle genannte Form
bevorzugt (z. B. únheimlich statt unhéimlich).
Hier und bei regionalen Abweichungen möge der jeweilige Verkündiger
des Evangeliums entscheiden und entsprechende Änderungen vornehmen.
Jedes Evangelium ist im 1. Ton mit den genannten
Varianten eingerichtet und in einer zweiten Fassung in einem der
übrigen Töne.
Die vorliegende Veröffentlichung des Münchner
Priesterseminars ist ein Ergebnis der Bemühungen der für die
liturgische und kirchenmusikalische Ausbildung künftiger Diakone und
Priester Verantwortlichen.
Besonderer Dank gebührt Regens Rainer Boeck und
Diakon Hans Gremler vom Fachbereich Ständiger Diakonat für die
Unterstützung dieses Projekts sowie den Alumnen des Münchner
Priesterseminars, die bei der Vorbereitung geholfen haben.
Möge diese Arbeit allen eine Hilfe sein, die sich
um eine würdige und glaub-würdige Verkündigung der Frohbotschaft
bemühen.
München, im Februar 1998
Bernhard Stürber
Dozent für Liturgik und
Kirchenmusik
am Erzbischöflichen Priesterseminar
München und Freising